Werkzeuge: Möglichkeiten und Limitationen
Werkzeuge haben maßgeblichen Einfluss auf das geschaffene Werk. Sie eröffnen Möglichkeiten, bringen aber auch Limitationen mit sich.
In der Typografie bzw. im Typedesign ist dieser Zusammenhang omnipräsent. Wenn ein Schreibwerkzeug im wahrsten Sinne des Wortes seine Spur am Papier hinterlässt, formt es das Zeichen, das Schriftbild und sogar das Schreiben selbst.
In Gerrit Noordzijs „The Stroke. Theory of the Pen“ wird genau untersucht, wie sich das Schreibwerkzeug auf den Strich auswirkt. Er beschreibt wie das Profil des Stiftes, die Rotation und Formveränderungen durch Druck zusammenspielen, um aus einem eindimensionalen Strich eine zweidimensionale Form zu kreieren.
Doch die Eigenschaften des Werkzeugs bestimmen auch die Handhabung desselben. Während ein weicher Pinsel in alle Richtungen leicht über das Papier gleitet, ist es beinahe unmöglich eine kratzige Spitzfeder gegen die Schreibrichtung zu bewegen. Was leichter fällt, wird bevorzugt – wodurch sich Schreibtraditionen und Stile entwickelten, die sich direkt vom jeweiligen Werkzeug ableiten.
Teilweise bestehen diese Traditionen bis heute, auch wenn sie sich von der Ursache – den Limitationen eines Werkzeugs – gelöst haben. Beispielsweise folgen viele digitale Schriften noch den selben Kontrastmodellen, wie sie die Schreibwerkzeuge vorgaben. Auch wenn sie nie „geschrieben“ wurden.
Der Einfluss des Werkzeugs kann also weitreichend sein – weit über die eigentliche Verwendung hinaus. Dennoch sind sie nicht aktiv an der Gestaltung beteiligt: alle Entscheidungen liegen immer noch beim Nutzer (Designer, Künstler, Handwerker, etc.). Werkzeuge unterstützen lediglich die Ausführung, sind aber nicht entschlussfähig und verfolgen keine Absichten. Ein Lineal hilft dabei, gerade Linien zu ziehen, kann aber nicht bestimmen, wo und wie lange diese verlaufen.
Wie stark bereits „primitive“ Werkzeuge, wie etwa Schreibutensilien, auf die Entwicklung von künstlerischen Stilen auswirken, wirft die Frage auf: Was würde passieren, wenn das Werkzeug nicht nur bei der Ausführung hilft, sondern auch mitentscheidet? Und ist ein Werkzug, sobald es aktiv gestaltet, noch Werkzeug oder schon ein Kollaborateur?